Am Morgen bekam ich ein gutes Frühstück am Familientisch. Wie immer werde ich gefragt, woher ich komme mit dem beladenen Fahrrad. Aus Norddeutschland?? Und das ist wirklich kein E-Bike?? Die Parkinson-Story lasse ich schon immer weg. Weil wenn ich sage, ich bin nach den 4 Wochen nicht ausgelaugt, es geht mir besser denn je, fällt vielen die Kinnlade runter. Offensichtlich haben viele Menschen die einfache Tatsache, dass mechanische Systeme bei Bewegung verschleißen, im Gegnsatz dazu regenerieren sich biologische Systeme bei Bewegung. Egal, jedenfalls wünschen mir alle – und das klingt ehrlich – eine gute Weiterfahrt.
Heute geht es durch die Weinberge bergab, auch mal gut. Doch bald ändert sich das Bild. Ich komme in eine Gegend, in der vornehmlich Ackerbau betrieben wird. Dass die Grenze zu Frankreich hier mitunter nur ein paar hundert Meter entfernt ist, merke ich daran, dass stellenweise mehr Autos mit französischen Kennzeichen unterwegs sind als Schweizer. Ich nehme an, darunter viele Arbeitsmigranten. Die Route führt zwar nicht auf dem kürzesten weg nach Genf, aber dafür istes noch einmal richtig schön. Mir geht schon alles mögliche durch den Kopf. Einerseits muss ich mir aus den vielen Telefonadressen noch eine bezahlbare Unterkunft in Genf besorgen und meine Zugfahrt am Sonntag nachhaus ist noch nicht geregelt. Ich hatte zunächst gedacht, gibst du die alte Fahrkarte zurück und besorgst dir eine neue, kann ja nicht so schwer sein. Aber die Verbindungen wurden nicht nur stündlich teurer, für die Strecke Stuttgart-Wolfsburg kam immer freundlicherweise ganz zum Abschluss der Buchung – und das sind jedes Mal etliche Schritte: leider sind gerade alle Fahradplätze vergeben…. na toll. Und dann kamen Verbindungen hinzu, da war dann die 1. Klasse preiswerter, aber auch ohne Platz für das Fahrrad im Zug. Na ja, wenn die alten IC-Wagen nur die paar Plätze haben, an denen das Fahrrad auch noch umständlichst an die Decke gehängt werden solll… Da kam mir die Idee: wieso das alte Ticket stornieren? Das enthält zum Supersparpreis die Verbindung Basel-Wolfsburg, und die geht über Mannheim, Frankfurt… Über Würzburg als Umsteigebahnhof würde ich eh nicht fahren, die haben weder Rolltreppe noch Fahrstuhl noch nutzbare alte Postrampe – eben nichts. Erstaunlich, dass solche musealen Stationen immer noch als Umsteigebahnhof mit Fahrrad im Fahrplan auftauchen. Nach etlichen Versuchen erreiche ich jemanden beim Auslandsservice der DB, womich die Fahrkarte erworben hatte, weil Auslandsverbindungen mit Fahrrad kann man nicht online buchen. Weil du dann extra eine Zollerklärung unterschreiben musst. Klingt erts bürokratisch, scheint dann aber in einer Zeit, in der für Aktiengewinne einBus in die Luft gesprengt wird, doch sinnvoll. Ich will also fragen, ob sie meinen ab Basel vorhandenen Fahrradplatz ab Frankfurt sicherstellen können. Ich befüchtete nämlich, dass dieser, ebenso wie eine Sitzplatzreservierung, eine Viertelstunde nach Abfahrt entfallen kann. Nach langer Wartezeit erklärt mir der freundliche Auslandsbedienstete “ ihr Fahrradplatz bleibt die ganze Strecke reserviert, auch wenn Sie erst in Frankfurt zusteigen“. Nun ja, den möglichen Verlust des Sitzplatzes kann ich bei 4 Fahradtaschen verschmerzen, da baue ich mir eben einen Sitz. Und flugs für einen guten Preis das Ticket bis Frankfurt gebucht. Frankfurt deshalb eher als z.B. Mannheim, weil nach wie vor Kopfbahnhöfe für Fahrradreisende immer noch das beste sind. Und auch so, Bahnsteige und Verkaufsstände auf einer Ebene, irgendwie hat das mehr Eisenbahn-Reise-Atmosphäre als diese Ansammlung von Kellergeschäften. Ok, nun noch schnell das Zimmer für heute Abend besorgt. Hä, so einfach ist das nicht. Ich habe zwar eine ganze Liste mit Jugendherberge, Hostels, chambres d’hôtes (Gästezimmer in Pensionen oder privat), aber Genf ist nicht nur teuer, scheint auch beliebt zu sein. Also stehe ich am Ortseingang von Genf in einem Park im Schatten, habe zwar endlich die Heimreise unter Dach und Fach, höre aber jedes Mal „pardon monsieur, nous sommes complet“. Nun ja, ich finde es komplett besch… stehe schon ewig hier. Dann kommt meine persönliche auditive Bestleistung: eine freundliche, aber zart und leise klingende Frauenstimme sagt, sie hätten nocht etwas frei und erklärt mir Preis und Angebot. Ausgerechnet jetzt nimmt der Verkehr vor dem Park zu und ich verstehe immer „centseptante Francs per nuit“, klingt in meinen Ohren wie 170 Franken pro Nacht und ich merke nicht einmal, adss es diese Zahl centseptante im französichen gar nicht gibt, müsste heißen „centsoixantedis“. Aber ich merke es nicht, macht wohlmauch die Hitze. Muss ja eine Entschuldigung haben. Zum Schluss einigen wir uns: ich schicke ihr eine kurze Mail und sie antwortet mit Preis und Angebot. Da waren es dann 107 Franken mit Frühstück, Dusche/WC auf dem Zimmer und kostenlose ÖPNV-Nutzung. Also machte ich mich auf den Weg, verstand unterwegs die Anweisungen vom Navi nicht, musste natürlich einmal steil über den „Rathausberg“, der Radweg durch einen Park war verschlossen … doch endlich kam ich ans Ziel. Und bereute nichts. Alles war wieder gut. Mitten in dieser relativ kleinen internationalen Metropole stand mitten in einem großen Park eine alte Villa das “ Le Cénacle“. Kurzum, ein nüchtern eingerichtetes, aber ruhiges und sympathisches Haus. Die Zimmer sind einfach und knapp eingerichtet, ähnlich wie die Einzel- und Doppelzimmer in den modernen Jugendherbergen. Ich sehe eine Tür zu einer kleinen Kapelle im Haus mit einem Schild zum Leben mit Gott. Ich recherchiere, was Cénacle wohl bedeuten mag: kommt aus dem lateinischen und bedeutete so etwas wie einfacher Speisesaal oder auch einfache vermietete Räume. Ok, das Motto passt zum Haus. Bei der Gelegenheit will ich auch wissen, woher im französischen für „Genfer See“ der Begriff „Lac Léman“ kommt. Natürlich auch aus dem lateinischen: der Teil leman kommt aus dem keltischen und bedeutet großes Wasser, See und schon die Römer erfanden den Doppelnamen mit dem lateinischen Wort für See und em keltischen dazu. Also heißt dieses Binnengewässer auf deutsch übersetzt so viel wie „See-See“. Auch gut. Aber für den Rest des Tages bin ich ziemlich geschafft, suche mir noch einen Bankautomaten und gleich dabei ein Supermarkt. Zum Essen gehen habe ich nicht nur wegen des horrenden Preises keine Lust. Ich kaufe noch schnell etwas ein, das ich auf meinem Zimmer in Ruhe genießen kann und dann fallen mir bestimmt bald die Augen zu.
Außerdem geht mir alles mögliche durch den Kopf. Jetzt ist die Radreise vorbei. Jetzt kommt einerseits wieder das normale Leben ( muss ja auch mal wieder auf den Teppich kommen). Aber das soll eigentlich auch nicht das letzte Projekt gewesen sein. Doch dazu verrate ich vielleicht später mehr.
Der Übergang von den Weinbergen zur von Feldwirtschaft geprägten Landschaft:
Irgendwo ein kleiner Flugplatz für Sportflieger, am Rand steht eine Antonov AN 2: ein russischer Doppeldecker, der wegen seiner großen Flügelfläche extrem langsam fliegen jnd auf kürzesten Pisten starten und landen kann:
Unterwegs: auf einer Baustelle an einer Bundestraße wird ein Radweg abgetrennt, niemals sah ich hier eine Schild an einer Baustelle „Radfahrer absteigen“, übrigens ist auch in den größeren Städten das Radfahren fast überall auf Angebotsstreifen möglich, fast immer gibt es Aufstellflächen für Fahrräder an Ampelkreuzungen zum direkten Linksabbiegen – nun ja, wir können bei usn halt noch lernen:
Der Beweis: Axel hat nach 4 Wochen und einem Tag Genf erreicht:
Genf und mein Hotel hier im Park:
Last but not least: eine Anzeige auf dem Stadtplan von Genf
„Ich würde ja gern mehr Fahrrad fahren, aber – aber durchgestrichen und darunter: wenn du besser leben willst, musst du auch mehr Fahrrad fahren“ – es ist eben das Nahverkehrsmittel der Zukunft
Und dennächst verrate ich vielleicht mehr über meine Gedanken zu „après vélo“ – wenn es auch après ski gibt…