Liebe Freunde, mal wieder etwas Neues vom Grauen Wolf

Nach einer sehr aufregenden Zeit vor meiner OP im Februar, wurde ich einen Monat später erfolgreich operiert. Nun habe ich meine Tiefe Hirnstimulation und es geht mir super gut damit! Abgesehen von ein paar Problemchen bei längerem Gehen. Aber Fahrradfahren hingegen geht ganz hervorragend! Allerdings mit gebremstem Schaum. Ich darf 3 Monate lang nicht anstrengend trainieren, bis das Implantat gut eingeheilt ist. Anderenfalls kann es sich entzünden und muss schlimmstenfalls wieder raus!

Ich möchte euch mitteilen, dass in Zukunft alles etwas ruhiger und „privater“ zugehen wird. Das heißt, ich werde wenn, dann sporadisch von Touren oder anderen Aktivitäten berichten. Ich möchte, wenn ich unterewgs bin, die Zeit genießen und nicht allabendlich berichten.

Ich habe auch mein Facebook-Konto gelöscht.

Bis demnächst

Axel – der graue Wolf

Donnerstag, 11. und Freitag, 12. Februar: Qualifikation läuft – straffes Programm

Los geht‘s: der Weg zur Station ist nicht schwer. An der Anmeldung bekomme ich prompt die Info: „falsche Station, die gegenüber“. Na ja, fast richtig. Warten im Vorraum: Corona Tests müssen natürlich gemacht werden, dann geht es auch bald zur Station. Zimmer und Bett soeben frei geworden. Hier geht es Schlag auf Schlag.

Ich habe noch die dicken Wintersachen an, das Zimmer ist gut geheizt und die Sonne scheint prall ins Zimmer. Ich fühle mich überhitzt, bin ziemlich geschafft und denke gerade, wie ich denn umziehen und Schrank einräumen in vernünftiger Reihenfolge hinbekomme, da holt mich ein junger Pfleger zum Röntgen ab. Langsam merke ich, dass ich zu wenig getrunken habe. Nach dem Röntgen werde ich gefragt, ob sie eine Begleitung für den Rückweg anfordern sollen. Ich denke: den Flur mal so rum, mal andersherum, mit dem Fahrstuhl vom Keller ins 4. OG – wenn‘s mehr nicht ist..“Nein danke, nicht nötig. Das schaffe ich gut allein.“ Merke natürlich mal wieder nicht, dass ziemlich erschöpft bin. Also ein wenig mal rechts, mal nach links – da ist ja ein Fahrstuhl! Jetzt den richtigen nehmen (wieso, erkläre ich später) und ins 4. OG. Ich steige aus – und bin in der plastischen Chirurgiegelandet! Das brauchte ich jetzt nicht. Im Moment recht planlos und keine Ahnung, wo ich gelandet bin. Eine Schwester, die ich nach Station 4/12 frage, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Am Ende ist der Rückweg doch nicht so kompliziert. Aber ich brauche gefühlt Stunden zur Regeneration.

Freitag, der 12. Februar beginnt gleich nach dem Frühstück mit Aktion: ich werde schon beim MRT erwartet. Eine Untersuchung von zentraler Bedeutung für die THS: die Messung ist mit aktueller Technologie so exakt, dass danach die Elektroden exakt im Gehirn geführt und platziert werden können! Das bedeutet, dass Patienten nicht unbedingt während der Op am offenen Kopf wach bleiben müssen, sondern aus der Narkose aufwachen und alles gemacht ist. Finde ich nicht ohne.. Ich bin schon etwas spät dran, da warten schon die nächsten Patienten. Das Vorgespräch können wir abkürzen: den Fragebogen habe ich ausgefüllt aber – was auch sonst – im Zimmer gelassen, erkläre „habe alle Einschränkungen mit Nein beantwortet, die Schwester fragt, ob ich irgendwelches Metall im Körper hätte – nein – Unterschrift und rein in die Krachkiste. Die Arbeitsweise der Kolleginnen hier gefällt mir: zügig, zielorientiert, professionell und dabei angemessen freundlich: klare Ansagen ohne diese gesäuselte Fassadenfreundlichkeit „womit darf ich, bla-bla..“ aus drittklassigen Kommunikationsseminaren. Ich lege mich auf das Gerät, zwei kräftige Damen heben mich sekundenschnell samt ergonomisch angenehmer Unterlagen in die richtige Position, den Kopf fest fixiert – und rein fährt das Ding. Plötzlich und unerwartet dröhnen verschiedene bis zur Schmerzgrenze intensive Geräusche auf dich ein. „Egal, wo es zwickt, bleib bloß regungslos liegen“ sage ich mir. Manchmal ein paar Sekunden Pause – bin ich fertig?? – nein! Doch irgendwann bewegt sich meine Unterlage mit mir drauf wieder zurück. Geschafft! Ich bin es auch etwas, noch ein paar Minuten sitzen und wieder klar werden. Da kommt auch schon ein Pfleger und bringt mich ohne Umweg über die plastische Chirurgie zurück. Angekommen, Schluck Wasser trinken.

Schon geht wieder die Tür auf: „Herr Kuba, bitte zum EKG“. Also wieder in den Keller zum Ruhe-EKG. Das ist schön: da liegen, Messpropfen ansetzen lassen und auf Ruhe schalten. Geht leider schnell. Also wieder nach oben.

Aber eine Aktion steht noch an vor der Mittagspause. Eine der engagierten jungen Ärztinnen macht mit mir die neurologische Untersuchung: mit Augen zu Finger auf die Nasenspitze, auf einem Bein stehen. Da staune ich: seit längerer Zeit war das richtig schlecht mit dem Gleichgewicht. Jetzt ging es super gut, obwohl sie schon einige Medikamente abgesetzt haben. Alles klar, auch das entsteht im Kopf. Vorher etwas überspannt bis aufgeregt. Da wird es schwierig mit Konzentration und Gleichgewicht.

In fliegendem Wechsel kommt eine der Stationsärztinnen und klärt mich auf, in welchen Bereichen die THS mehr wirkt, wo weniger. Ich bekomme mehr und mehr den Eindruck: ja, das wird was. Am Nachmittag noch ein kurzes Gespräch mit der Psychiaterin. Auch die vermittelt mir den Eindruck, alles im grünen Bereich. Meine Stimmung wird mehr und mehr erst entspannt, dann so etwas wie Vorfreude.

Zum Tagesabschluss kommt Schwester Silke und erklärt mir, dass am Wochende die Medikamente sehr weit runter gefahren werden bis Montag früh. Dann checkt sie mein Befinden und ich werde wieder hochgefahren. Der Prozess meiner Zustandsänderung gibt dann Aufschluss über die Wirksamkeit einer THS. Ich merke heute, mittlerweile ist Sonnabend, schon die kleinen Reduzierungen, trippele wieder mehr. Bin gespannt, wie das auch gefühlsmäßig noch wird. Passieren kann nichts, ich bin in professionellen Händen.

Ich telefoniere mit Bärbel und bin fast aufgedreht. Auch mein sehr netter Zimmerkollege Rüdiger hat eine gute Nachricht bekommen. Zimmer 3 ist in guter Stimmung.

Am Freitag schlafe ich, wie meistens, schnell ein. In der Nacht wache ich das erste Mal gegen 2 Uhr auf, bin schon mit dem Rad unterwegs… dann schlafe ich wieder ein und wache gegen 4 Uhr wieder auf mit ganz anderen Gedanken: warum war ich so voller Spannung im Vorfeld. Einer der vielen möglichen Gründe war die Erwartung, die „Abwärtsbewegung“ noch einmal abbremsen zu können. Was ist, wenn das nicht…? Klar mochte ich die Gedanken nicht, wo führt das hin, wenn das weiter bergab geht?? Bisher konnte ich mit meinem ständigen Begleiter, dem Herrn Morbus Parkinson, noch ganz gut umgehen, ihn manchmal auch fast unsichtbar machen. Aber mir wird klar: irgendwann in der Zukunft muss ich mich damit auseinandersetzen, dass die Ressourcen dann ernsthaft weniger werden. Das wird zumindest mental schwieriger als sportliches Training. Aber jetzt bleibe ich erst einmal im hier und jetzt. Und das wird schon klappen, so. Beschlossen und verkündet..

Und jetzt ist erstmal Wochenende 🙂 !

1 Woche nach dem letzten Radreisetag – eine erste Reflexion

Es ist nun 1 Woche her, dass ich Genf als Zielort meiner Radreise verließ.
Ich möchte in einer ersten Reflexion ein paar Gedanken beschreiben, die mir im Moment durch den Kopf gehen.
Ich denke, auch später noch Gedanken zu diesem oder künftigen Projekten hier zu äußern. Darüberhinaus bestünde die Möglichkeit, diese Homepage – unter anderem Namen – als Plattform zum Informationaustausch unter „Parkis“ oder unter Fahrradfahrern zu nutzen. Dazu müsste sie interaktiver werden, nicht nur lange berichte von mir und kurze Kommentare von Lesern. Dann bräuchte ich ein anderes Layout und Rückmeldungen, ob das überhaupt ingteressant sein kann.

Doch bevor ich meine Gedanken beschreibe, liegt es mir am Herzen, etwas zu den
Rahmenbedingungen zu sagen, die ein solches Projekt erst ermöglichen:
Da ist in allererster Linie meine Frau Bärbel. Sie steht uneingeschränkt zu mir auch als Parkinsonpatient, was überhaupt nicht selbstverständlich ist. Und sie gibt mir den Freiraum, einfach mal für 5 Wochen unterwegs zu sein und dabei auch noch einen nicht unbeträchtlichen Teil unseres Urlaubsbudgets für mich allein auf den Kopf zu hauen.
Und dann komme ich nachhaus, habe den Kopf noch voll mit Erinnerungen vermischt mit Zukunftsspinnereien (Pyrenäen vom Atlantik zum Mittelmeer mit dem Rad überqueren z.B.). Und eigentlich ist jetzt die Zeit, den Sommer gemeinsam zu genießen. Ich muss aufpasssen nicht von der Radreiseaktivität in die tagfüllende
ehrenamtliche Aktivität zu rutschen. So, das musste ich loswerden.
Der zweite Punkt ist mein Umfeld, das mir immer wieder Mut gemacht hat:
meine Söhne, Schwestern, Neffen. Immer wieder habe ich gespürt, dass sie mir vertrauen, es zu schaffen und haben mich auf meinen Zwischenstationen mit neuer Reisepower versehen. Zu dem Umfeld gehört auch die Vorsitzende und andere Mitglieder meiner Selbsthilfegruppe PaJuBS e.V. Ganz besonders danken möchte ich an dieser Stelle Stephanie Heinze von der Hilde-Ulrichs-Stiftung für Parkinson-Forschung und ihrem Mann Thomas, die mich in Frankfurt so nett betreut haben und meinen Umstieg auf der Bahnrückreise zu einem Glückwunsch-Empfang genutzt haben. Ein ehemaliger Kollege hat meine Route graphisch dargestellt. Und so gibt es noch etliche tolle Beispiele, die ich hier gar nicht alle nennen kann. Manchmal habe ich gedacht „Ich fahre doch nur Fahrrad und es macht mir Spaß“, ich bin doch kein Held oder so etwas ähnliches.

Ich sehe aktuell 3 Felder die ich als „Wirkungstreffer“ beschreiben möchte:
1. Was hat das Projekt bei mir als Persönlichkeit bewirkt
2. Welche Erfahrungen habe ich als Parkinson-Patient gemacht
3. Wie sehe ich das Projekt als Radreisender

1. Das Wesentliche ist: die Durchführung des Projekts Wolfsburg-Genf hat mir ringsum gut getan. Ich bin nicht ausgepowert, fühle mich fitter und besser als vorher. Ich habe die Chance genutzt, einen meiner Träume zu verwirklichen. Ich war mir im Vorfeld nicht immer sicher – völlig unabhängig ob ich Parkinson habe oder nicht – ob alle Aspekte zu meiner Kragenweite passen. Es sollte auch ein Selbsterfahrungsexperiment sein: wie gut kann ich meine Grenzen noch einschätzen und wie reagiere ich im Grenzfall? Grenzen einschätzen heißt für mich: etwas als nachhaltigen Erfolg zu sehen, heißt meine Komfortzone zu verlassen und so weit ins Risiko gehen, dass ich noch außerhalb einer naiven Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand Selbstgefährdung bleibe. Nach meinem persönlichen Empfinden habe ich das gut gemeistert, sowohl ganz allgemein die Strecke (Profil, Länge) als auch die schwierigen Situationen betreffend (Furkapass radeln können ohne „Schwächeanfall“ und dafür Gepäck aufgeben, Geschwindigkeit auf Abfahrten: schnell aber nicht halsbrecherisch).
Was kann ich noch reißen? Ich finde, noch ganz beachtliches mit 65 Jahren.
Die Schlussfolgerung für mich ist: das Projekt hat mir soviel Spaß gemacht, dass es sich lohnt, über künftige Projekte nachzudenken.
Unabhängig davon habe ich den Eindruck, das Gelingen dieses Projekts hat mich nicht nur selbstzufriedener sondern auch gelassener gemacht. Ich werde mich – hoffentlich länger anhaltend – weniger von alltäglichem Kleinkram zumüllen lassen.

2. Axels Radreise als Parkinson-Patient: zwei Leitmotive sind mir wichtig.
Ich spüre, dieses „Keep Moving – bleib in Bewegung“ ist enorm wichtig für das Wohlbefinden als Parkinson-Patient. Ich habe hier unserem Taiji-Trainer Mirko
Lorenz den Namen vorübergehend geklaut: Keep Moving ist ein bisher einzigartiges Taiji-Trainingskonzept, das ganz spezifisch auf die Bedarfe von Parkinson-Patienten zugeschnitten ist. An diesem Training nehme ich wöchentlich regelmäßig teil. Auf die Dauer fühle ich mich trotz Parkinson wohl, wenn ich möglichst vielfältige Bewegung habe: Taiji, Krafttraining, Radfahren, Gymnastik nach Musik, Walken oder Laufen mit Smoveys.
Einige Parkinson-Patienten haben mich gefragt, wie ich unterwegs – bei der relativ höheren körperlichen Belastung als zuhaus – mit meiner medikamentösen Einstellung klar kam. Ich kann nur sagen: hervorragend. Ich hatte den Eindruck – wenn die Belastung nicht zu hoch war – dass ich unterwegs mitunter mit weniger Medikamenten ausgekommen wäre.
Allerdings möchte ich an dieser Stelle auch dem gesanten Team der Parkinson-Klinik in Beelitz bei Potsdam danken, die mich im Februar so super fit gemacht und eingestellt haben, dass ich dieses Projekt überhaupt in diesem Umfang angehen konnte.
Der zweite Parkinson-Aspekt heißt „trau dich!“ Ich wollte etwas für mich außergewöhnliches unternehmen. Ich glaube, das ist gerade dann wichtig, wenn man eine chronische Krankheit hat und eigenverantwortlich für Lebensqualtität sorgen möchte. Manche Leser meiner Homepage sagten zwar „sowas könnte ich nie“, aber es ging mir auch nicht darum, jeden Betroffenen mit dem Fahrrad Richtung Alpen zu schicken.
Wichtig ist mir die Botschaft: schau in dich hinein und schätze deine Rahmenbdingungen ein „was sagt mir meine innere Stimme, was ich gern täte“, was ginge noch zu tun (ich freue mich über das, was noch geht und ärgere mich nicht darüber, was eventuell nicht mehr geht). Das können 1000 verschiedene Dinge sein.
Hauptsache ist es zu entscheiden: ich mache das jetzt! Ich selbst glaube, dass ich ohne Parkinson diese Reise nicht gemacht hätte. Wahrscheinlich hätte ich hier und dort mal eine kleinere Tour gemacht. Im Moment denke ich, dass dieser Aspekt bedeutet
„Parkinson hat mir auf einem Feld mehr Lebensqualität gebracht als wenn ich
nicht betroffen wäre.
Also: immer in Bewegung bleiben und sich schöne Projekte suchen und diese dann möglikchst umgehend umsetzen.

3. Meine Sicht als Radreisender. Ich hatte natürlich im Vorfeld etwas trainiert. Allerdings wesentlich weniger, als ich ursprünglich wollte. Aber auch aus diesem Aspekt war die Reiseroute aus meiner Sicht richtig gewählt. So hatte ich zu Beginn der Tour die „kleinen“ Sehenswürdigkeiten von Niedersachsen durch Hessen mit dem Vogelsberggebiet und dann durch Baden-Württenberg mit der schwäbischen Alb, bevor auch die touristischen Highlights der Tour in den Alpen sichtbar wurden. Außerdem
glaube ich, dass die Sicht in ein Gebirge hinein schöner ist als wenn man hinausfährt, also flussaufwärts statt flussabwärts.
Der zweite Aspekt ist der Trainingseffekt: ich hatte sowohl im Vogelsberggebiet als auch beim Radeln durch oder über die schwäbischen Alb mitunter soviele Höhenmeter wie später auf den Alpenpässen auf meinem Tacho. Dadurch war ich in den Alpen – sowohl am Rhein als auch an der Rhone – gut fit. Und dieses Bergfahren hat aus sportlicher und mentaler Sicht enorm viel Spaß gemacht. In dieser herrlichen Umgebung sich die Berge hochzukämpfen und dann gut kontrolliert wieder bergab rasen zu können.
Allerdings habe ich nach und nach gemerkt, dass ich zuviel eingepackt hatte und schickte dann einige Dinge wieder nachhaus. Das werde ich bei der nächsten Reise ändern.
Mein Reiserad passte haargenau für mich. Ich hatte mich im letzten Jahr entschieden, mein Maxcycles Steel light mit etwas zu groß geratenem Diamantrahmen – beim breitbeinig abspringen musste ich aufpassen wo das Oberrohr ist – einzutauschen gegen ein Fahrrad mit Diamantrahmen. Mithilfe des Kundenberaterteams im Radhaus bei Velocity in Braunschweig entschied ich mich für ein VSF TX 400 mit Trapezrahmen.
Dieses Fahrrad ist für mich der optimale Kompromiss: leer fast wie ein MTB zu handeln und auch beladen handlich und gleichzeitig sehr stabil. Das Rad ist kein Leichtgewicht, aber mithilfe der passgenauen Einstellung meines nun VSF TX 400-Axel-Reiserades mit noch berggängiger gemachter Schaltung (das kleine Kettenblatt vorn durch ein 22-er ersetzt) konnte ich den Oberalppass mit vollem Gepäck und den Furkapass mit reduziertem Gepäck bewältigen.
Etwas Neid kam ein paarmal auf, wenn Menschen auf Rennrädern scheinbar so leicht vorbeischwebten. Ich besaß noch nie ein Rennrad, aber vielleicht kann mein
Lieblingskundenberater es organisieren, dass ich mir ein einfach zu handhabendes Trainingsrad für 1 Tag ausleihe um dieses Gefühl einmal zu erleben.

Nachtrag: ich war auf meiner 1. Radreise in diesem Umfang noch viel mit dem Radeln, Landschaft anschauen und meinen eigenen Gedanken beschäftigt, dass ich relativ wenig mit anderen Menschen intensiver in Kontakt kam. Das war allerdings zwei mal besonders angenehm so: bei der Familie in Steigmatt „Schlafen im Stroh“ mit ihrer Menschen- und Tierliebe und bei meinem Aufenthalt in Biel, als die Frau meines sympathischen Gastgeber-Ehepaares auch noch Taiji-Trainerin war – in einem kleinen fast museal anmutenden Bergdorf mit einer stabilen Teilnehmergruppe.

Ich fühle mich in meiner Persönlichkeitsentwicklung positiv weiter, als Parkinson-Patient wohler und unbeschwerter und sportlich fitter als vorher.

Der 1. Tag nach der Radreise – erste Gedanken 

Gestern schrieb ich schon, es sei ein schneller Wechsel: vor so kurzer Zeit noch gefühlt dauerhaft in den Bergen und dann – zwei Stunden in die Pedale getreten und vor dir ein See, die Berge hinter dir und zwei Tage später ist die Reise vorbei. In meinem Kopf sind tausende Splittter an Erinnerungen: Landschaften, Menschen, meine Gefühle in verschiedenen Situationen, in wievielen Zimmern und Betten habe ich übernachtet. Da sammelt sich in 4Wochen eine Menge an. Vieles davon sind wirklich noch Splitter wie vom Wind aufgewirbelte Puzzleteile, die erst geordnet werden müsssen. In nüchternen Zahlen ist das einfach gemacht: 1.606 km und 13.900 hm laut Navi-Aufzeichnungen, ob das so genau ist… aber gefühlt ging es fast jeden Tag rauf und runter:Weserbergland, Solling, hessisches Bergland, schwäbische Alb und zuletzt die Alpen. Wobei die beiden Passüberquerungen kaum mehr Höhenmeter hatten als andere Tage mit Achterbahnradeln.

Klar ist: es war ein tolles Erlebnis für mich! Und ich bin mir bewusst und auch dolle dankbar dafür, eine Frau zu haben, die das nicht nur zulässt, sondern mich auch liebevoll unterstützt. Das geht nicht allen Menschen mit einer chronischen Krankheit so und schon gar nicht, wenn sie fast 5 Wochen durch die Gegend radeln und das Familienbudget auf den Kopf hauen. Nichtsdestotrotz geht mir alles mögliche durch den Kopf, Träume und Ideen für die Zukunft genauso wild gesplittert wie die Erinnerungen: da schießt mir z.B. durch den Kopf (komisch, war nur Bärbel aufgefallen: siehe nächster Satz „Richtigstellung“) mit Bärbel mal wieder nach Bozen und Meran, wandern und genießen, dann knallt vorbei „wollte schon für zig Jahren in die Pyrenäen, Überquerung per Rad oder wenn an der Rhône die Rennradfahrer ohne Power so vorbeigleiten – vielleicht leiht mir mein Fahrradladen mal ein Rennrad für einen Tag, nur dieses Gefühl erleben – und dann fällt mir ein, was in unserer neuen Wohnung noch an Kleinigkeiten zu tun ist, mein Chaos-Kelller und nebenbei will ich wieder ganz normal auf den Teppich kommen, mit Bärbel frühstücken gehen, mit meinen Enkeln spielen und überhaupt mit der Familie mal wieder treffen und so weiter… Es ist gut, dass ich noch ein paar Tage zu meiner Schwester nach Filderstadt fahre. Wenn ich zuhause ankomme, werde ich mich möglichst schnell wieder strukturieren (und das schon nach 5 Wochen…) und schauen was ist los in meiner PaJuBS-Gruppe, im ADFC…

Nun die Richtigstellung: betrifft 26. Tag von Biel nach Sierre. Wenn man vom Furkapass in das Rhônetal fährt und dann noch vom Einstieg in den Simplonpass erzählt, warum fällt niemandem außer Bärbel auf, dass ich offensichtlich spät abends keine Korrektur mehr gelesen habe und nur einmal richtig schrieb „Brig“, und sonst plötzlich über Bozen faselte. Ich hoffe, die Bozener sind mir nicht böse, DIE Stadt lohnt sich auf jeden Fall! 

So, nun noch schnell die Kurve kriegen. Weil in meinem Kopf nicht nur Radfahren stattfindet: ein Grund für mich, in Genf einen Tag zu verweilen war, den Sitz der Vereinten Nationen (Palais des Nations, früher zu deutsch Völkerbundpalast) zu besichtigen. Ich will an dieser Stellle gar keine Details berichten, das würde nicht zu dem Part oben passen. Nur eins: für mich haben solche Einrichtungen eine enorme Bedeutung. Ich bin dann auch ganz berührt – ebenso wie letztes Jahr, als Bärbel und ich den Friedenspalast, Sitz des internationalen Gerichtshofs in Den Haag besichtigen konnten. Ich freue mich dann einerseits über die vielfältigen, oft sehr zähen Bemühungen eines Teils der Menschheit in Frieden und eigentlich ganz normalen internationalen Beziehungen zu leben. Doch gleichzeitig kommen mir echte Tränen der Wut, dass es so wenigen Machtmenschen gelingt, gegen sicher zahlenmäßig über 90% der Menschen auf dieser Welt soviel Zerstörung und Elend zu verbreiten. Vielleicht kommentiere ich in den nächsten Tagen ein paar Fotos und berichte ein paar Informationen.